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Zum Dissertationsprojekt "Problemlösen und Mathematiklernen" (Söhling)

 

Die Beobachtung von Schülerinnen und Schülern beim Lösen mathematischer Probleme zeigte, dass Lernende auch zu einer Lösung kamen, wenn sie zunächst wild probierten. Dabei schienen sowohl das Probieren, als auch beschrittene Irrwege zum Lösen der Aufgabe beitragen zu können. Es stellte sich die Frage, welchen genauen Nutzen das Probieren und die Irrtümer beim Problemlösen haben. Außerdem wurde nach der Bereichsspezifität der Erkenntnisse gefragt, die beim Lösen einer Aufgabe gewonnen wurden. So wurde untersucht, ob gewonnene Erkenntnisse auch auf andere strukturgleiche Aufgaben übertragen werden können. 

Ein weiteres Anliegen des Dissertationsprojekts war es, den Begriff der Abduktion, den Peirce (ca. 1900) in die philosophische Logik eingeführt und der von Meyer (2007 & 2015), Meyer und Voigt (2008, 2009, 2010) und Krumsdorf (2015) in verschiedenen Bereichen der Mathematikdidaktik fruchtbar genutzt wurde, auch für den Bereich des mathematischen Problemlösens nutzbar zu machen. 

Daher wurden 4.- bis 6.-Klässler in Einzelinterviews dazu aufgefordert, laut denkend mathematische Probleme zu lösen. Die Interviews wurden transkribiert und in Anlehnung an die Methode der Objektiven Hermeneutik interpretiert. Die Analyse erfolgte auf der Grundlage des oben genannten logischen Begriffsnetzes. Dabei waren vor allem abduktive, also erkenntniserweiternde Schlüsse im Fokus der Analysen. Außerdem wurde das Analyseinstrument der logischen Schlussformen in Anlehnung an Krumsdorf um den Begriff der latenten Sinnstruktur nach Oevermann et al. (1979) erweitert. 

Bei den Analysen ließen sich mithilfe der logischen Schlussformen zwei Erkenntniswege herausarbeiten, die den Erkenntnisgewinn beim Probieren und beim Lernen aus Irrtümern beschreiben. Bei jedem der beiden Erkenntniswege werden verschiedene logische, hauptsächlich abduktive Schlüsse, differenziert, die typischerweise beim Lernen durch Probieren und beim Lernen aus Irrtümern eine Rolle spielen. So gelang es den Nutzen des Probierens nicht nur zu beschreiben, sondern logisch zu begründen. Ebenso gelang es, die Logik des Aufbaus von sowohl negativen als auch positiven Wissens herauszuarbeiten. 

Die Erweiterung des Analyseinstruments um den Begriff der latenten Sinnstruktur war nützlich dabei, den potentiellen und tatsächlichen mathematischen Erkenntnisgewinn beim Problemlösen zu fassen. Hier zeigte sich, dass die Erkenntnisse beim Problemlösen oftmals fragil sind und nicht ohne weiteres auf andere Aufgaben übertragen werden können. 

Insgesamt konnten grundsätzliche Prozesse beim Problemlösen mithilfe der logischen Schlussformen beschrieben werden und das Potential des Probierens, der Irrwege und des Lernens von Mathematik konnte verdeutlicht werden. In der Praxis könnten Lehrkräfte das Probieren nutzen, um Zugänge zum Problemlösen zu finden. Sie könnten auch gezielt Irrtümer provozieren und Irrtümer zum Lernen von Mathematik nutzen. Weitere Forschung zur praktischen Umsetzungen ist in Arbeit.

Die Kenntnis der latenten Sinnstruktur von Schüleräußerungen und –lösungen kann der Lehrkraft darüber hinaus helfen, bei der gemeinsamen Besprechung verschiedene Lösungswege miteinander in Verbindung zu bringen, aber auch das mathematische Potential von Problemlöseaufgaben zu erkunden und so Problemlöseaufgaben gezielt zum Lernen mathematischer Inhalte einzusetzen. Auch hier ist weitere Forschung in Planung.